Der Rotang La, der direkt hinter Manali anfängt, war mit Abstand der schwierigste Teil der Reise. Das hängt vor allem damit zusammen, dass er für die indischen Touristen eine Hauptattraktion ist und jeder der Manali besucht auch eine Tour auf den Pass macht (hier gibt es auch im Sommer Schnee und der ist für Inder aus dem Flachland, die noch nie in ihrem Leben Schnee gesehen haben, ungeheuer faszinierend). Deshalb ist auf der engen Passstraße immer Stau und selbst mit dem Motorrad ist es schwierig, ich durch die Massen hindurchzukämpfen. Im oberen Teil des Passes fing es auch noch an zu regnen, und so wurden die Straße, deren Asphaltdecke in weiten Teilen nicht mehr existent ist, zu einer ziemlichen Rutschpartie. Oben angekommen ist mir auch noch der Gepäckträger gebrochen. Die alte mehrfach geschweißte Stahlkonstruktion konnte den Vibrationen nicht standhalten. Ich hatte leider auch zu viel Gepäck mit genommen, so dass mein Motorrad überladen war. Als ich dann nach über 8 Stunden (für 120 Kilometer) in Keylong ankam, war ich wegen des strömenden Regens klitschnass und durchgefroren.
Ich habe glücklicherweise ein gutes Hotel mit warmen fließendem Wasser gefunden und konnte mich aufwärmen und meine Sachen trocknen. Im Eifer des Gefechts hatte ich auf dem Rotang La meine drei Mitreisenden verloren und wir haben uns in Keylong wiedergetroffen. Dort konnte ich dann meinen Gepäckträger schweißen lassen (kostet in Indien nur ein paar Rupien) und ich habe im Hotel mein Gepäck ausgemistet und dem Besitzer das anvertraut, was ich nicht benötigte. Ein riskantes Unterfangen, aber manchmal zahlt es sich aus, Leuten zu vertrauen. Ich habe nach meiner Rückkehr nach Delhi, um es vorwegzunehmen, mein Gepäck wiederbekommen. Der Hotelbesitzer hat es einem Verwandten mitgegeben, der es mir kurz vor meinem Abflug übergeben hat.
Die nächste Etappe nach Sarchu war relativ einfach, wir musste zwar den zweiten Pass, den Baralacha La, überqueren, aber die Straße war in einem verhältnismäßig guten Zustand und wir konnten uns so auf die unbeschreiblich schöne karge Landschaft konzentrieren. Sarchu ist ein reiner Versorgungsposten und keine Ortschaft. Hier übernachten Reisende auf dem Weg nach Leh und deshalb gibt es eine improvisierte Infrastruktur aus Zeltunterkünften und Restaurants. Wir haben in einer von diesen übernachtet und es war ein Erlebnis. Hier oben kann es schon sehr kalt werden, glücklicherweise hatte unser Wirt viele warme Decken zur Verfügung gestellt, so dass wir relativ komfortabel genächtigt haben. Das Abendessen und Frühstück war auch sehr gut, alles zubereitet in einer Art Feldküche.
Von Sarchu sollte es weiter über die zwei höchsten Pässe des Manali-Leh-Highways gehen, dem Lachulung La und dem Taglang La. Zwischen diesen Pässen gibt es eine sehr trockene und sandige Hochebene zu überqueren, die doch fahrerisch eine große Herausforderung darstellt. Wir sind den Tag etwas zu ruhig angegangen und haben an einem Camp auf halber Strecke eine lange Mittagspause eingelegt. Deshalb sind wir erst am Nachmittag weitergefahren und es sollte sich herausstellen, das das doch zu spät dran waren. Wie immer hat sich der Weg mit seinen unzähligen Schlaglöchern, Bächen, Sandpisten und Kurven hingezogen und so waren wir bei Einbruch der Dämmerung immer noch beim Aufstieg des zweithöchsten befahrbaren Passes der Welt, es Taglang La. Es wurde dunkel und Nachts in Indien zu fahren ist generell nicht zu empfehlen, aber dann noch einen Pass zu überqueren ist ein Abenteuer. Es fing zu allem Überfluss auch an zu schneien. Ich hatte gut vorgesorgt und mir zusätzlich zu meiner Windjacke noch einen dicken Pullover und warme Skihandschuhe in Manali gekauft, aber dennoch wurde es sehr ungemütlich kalt. Aaron aus Australien jedoch war wesentlich optimistischer an die Sache herangegangen und hatte sich Strickhandschuhe (!) gekauft, durch die der Wind natürlich nur so durchweht. Ein langärmeliges Sweatshirt und ein Regencape aus Plastik, dazu eine 3/4 lange Hose war alles, was er dem Schneetreiben entgegenzusetzen hatte. Glücklicherweise strahlt der Motor etwas Wärme ab. Wir haben es ohne große Zwischenfälle im Dunkeln über den Pass geschafft und dann kurz hinter dem Pass an einem "Hotel", ein weiteres Zeltlager, Nachtquartier bezogen. Als wir von unseren Maschinen abstiegen ist Aaron fast zusammengeklappt, er war hochgradig unterkühlt und zitterte am ganzen Leib. Wir habe ihn in Decken eingewickelt und Unmengen heißen Tee in ihn hineingeschüttet. Nach einer Stunde und eine großen Portion Dal ging es ihm dann besser. Am nächsten morgen konnten wir die letzte kurze und flache Etappe nach Leh fortsetzen und kamen stolz wie Oskar an unserem Ziel an.
In Leh haben wir zusammen noch einen Ausflug ins benachbarte Hundar Tal gemacht. Wir konnten es uns natürlich nicht nehmen lassen, den höchsten befahrbaren Pass der Welt zu überqueren, den Khardung La mit einer Höhe von über 5.600 Metern. Dank meiner mittlerweilen guten Fahrpraxis und Erfahrung konnte ich diese Herausforderung gut meistern. Auf dem Pass wurden wir noch von dort stationierten Soldaten zu Chai in ihre Barracken eingeladen und konnten uns so noch aufwärmen.
In Leh trennten sich unsere Wege, Lenny, Aaron und Jaehun sind wieder zurück nach Manali gefahren. Ich habe mich weiter aufgemacht nach Kashmir. Es