Der Grenzübergang in Al-Qamishli gestaltete sich Dank des in Deutschland beantragten Visums recht unproblematisch. Die Versicherung für die Tenere war mit 38 USD für einen Monat auch bezahlbar. Nach einer knappen Stunde war ich dann mit allen Formalitäten fertig und konnte meine Reise fortsetzen. Was einem im Gegensatz zur Türkei direkt auffällt ist, dass überall wesentlich mehr Müll herumfliegt. Da kommt Syrien schon sehr nah an Indien heran, immer noch das schmutzigste Land meiner bisherigen Reisen. Da GPS in Syrien verboten ist, muss ich mich die ersten Kilometer an den Straßenschildern orientieren, welche zum Glück neben Arabisch auch Englisch beschriftet sind. Nach einer halben Stunde hole ich dann das GPS-Gerät aus den Tiefen meiner Koffer und bin dank Open Street Maps von da an meistens auf dem richtigen Weg. Das Garmin 60Csx wird von fast allen Syriern für ein Handy gehalten, so dass ich es überall offen verwenden kann.
Mein erster Stopp ist Deir Ezzor, eine 250.000 Einwohner zählende staubige Grenzstadt am Euphrat. Von hier aus besuche ich die Festungen Halabiya und Zalabiya, welche von der Palmyrischen Herrscherin Zenobia am Euphrat errichtet wurden. Ich bin ganz alleine, keine anderen Reisenden in Sicht und wie mir der gesprächige Wärter versichert, auch der erste an diesem Tag. So kann ich die Ruhe den majestätischen Blick auf den Euphrat, der Lebensader Ostsyriens, genießen. Am nächsten Tag fahre ich Richtung Irakische Grenze und besuche Mari, eine 5000 Jahre alte Sumerische Stadt, und Dua Europos, eine gut erhaltene Seleukidische Festung ebenfalls mit tollem Blick auf den Euphrat.
Weiter geht es nach Palmyra, der Haupttouristenattraktion des Landes. Hier werfe ich endgültig mein Vorurteil über Bord, Syrien wäre ein exotisches Reiseziel. Busladungen von vor allem Deutschen Rentnern werden auf Tagestouren von Damaskus oder Aleppo herangekarrt und durch die Ruinen geschleust. Dennoch ist Palmyra beeindruckend und gerade bei Sonnenaufgang und -untergang ein Erlebnis, welches man nicht auslassen sollte.
Die Altstadt von Aleppo, die große Moschee, der Souq und natürlich die Zitadelle mit tollem Blick über die Stadt muss man gesehen haben. Von Homs aus, auf dem halben Weg von Aleppo nach Damaskus und mit einer große christlichen Bevölkerung, besuche ich die Kreuzfahrerfestung Krak de Chevalier und bin doch überrascht, dort einen "Stuttgart 21" Aufkleber zu entdecken. Das zum Thema "kleine Welt". Von Homs aus geht es in den Libanon. Der Grenzübergang ist problemlos, wenn auch auf libanesischer Seite teuer, denn ich muss eine Motorradversicherung für ein Jahr für 50 USD abschließen, obwohl ich doch nur ein paar Tage dort bleiben will.
Neun von zehn Autos sind alte Benzen, auf dem Land vor allem /8er und W123er. Je näher man Beirut kommt, desto neür werden die Modelle. In Beirut selbst kommt man dann als Autofan voll auf seine Kosten, hier ist alles an Luxusschlitten zu sehen, was man sich vorstellen kann: Lamborghinis, Aston Martins, Bugattis, Porsche, Ferraris. Nicht nur die Autos sind teür und konsumfreudig, auch die Fraün, die in der Arabischen Welt eindeutig als die schönsten des Globus gelten, sind aufgemotzt und schönheitsoperiert.
In der Pension Al-Nazih treffe ich viele sehr nette Leute: Roxana aus Washington, den Georgischen Honorarkonsul und TV-Host Buddy aus Manila, Jules, Yogi und Charlie aus Oz, Manou aus Montreal und Rumiana aus Bulgarien. Wir machen die Bars und Pubs im Vergnügungsviertel Gemmayze unsicher und feiern Halloween im Klub BO18, einer der ersten Adressen in Beirut. Das gute am Libanon ist, dass er so klein ist. Jeder Punkt des Landes kann in wenigen Stunden von Beirut aus erreicht werden und so wählen fast alle Reisenden die Hauptstadt als Basis. Wir besuchen die berühmte Weingut Ksara und die 1400 Jahre alte Umayyadische Stadt Anjar im Beeka Valley. Das ist schon eigentlich alles, was ich an Sehenswürdigkeiten im Libanon außerhalb Beiruts sehe, da ich doch viel Zeit brauche, meine diversen Kater auszukurieren.
Der Rückweg nach Syrien über den Beirut-Damaskus Highway ist nur 90 Kilometer lang, für diese benötige ich jedoch fast sieben Stunden. Der Aufstieg ins Beeka Valley von über 2000 Metern ist fahrerisch eine große Herausforderung, denn zu den Serpentinen gesellen sich noch die lebensmüden rücksichtslosen libanesischen Fahrer. Ich bin froh als ich in Damaskus heile ankomme und empfinde den Verkehr dort sogar als entspannend.
Ich verbringe noch ein paar schöne Tagen in Damaskus, wo ich Roxana und Rumiana aus Beirut wiedertreffe. Nach dem Hedonismus und der Hektik in Beirut tut es doch wieder gut, in einer arabischen Stadt mit der Ruhe der Teehäuser, der Geschäftigkeit des Souqs und der Gastfreundlichkeit ihrer Bewohner zu sein.
Syrien ist im Gegensatz zu westlichen Vorurteilen und der allgemeinen politischen Situation ein gastfreundliches, spannendes, sicheres und liebenswertes Land. Ich hatte so schöne Begegnungen und die Menschen dort sind mit die freundlichsten und liebenswürdigsten, die ich bisher auf meinen Reisen kennengelernt habe.